Irgendwo am Rande Europas

Radtour durch Georgien: Einblicke in ein Land zwischen Ost und West.

 

Als Gott die Erde unter die Völker verteilte, fehlten die Georgier: Sie feierten gerade ein Fest. Als sie schliesslich doch noch auftauchten, fragte er sie, warum sie so spät zur Verteilung erschienen. Sie entschuldigten sich und sagten, sie hätten ihm zu Ehren gefeiert. Gott gefiel dies, und er gab ihnen das Stück Land, das er für sich selbst reserviert hatte – das Paradies.

Seit ich diese Geschichte gelesen hatte, wollte ich dort hin. Unbedingt. Und am liebsten das Land mit dem Fahrrad entdecken, da stimmen – zumindest für mich – Geschwindigkeit und Nähe zur Umgebung perfekt überein. Um ein bisschen mehr vom Startort Tbilissi und Ziel Batumi zu erleben, bin ich bereits einen Tag vor dem Start angereist, und in Batumi einen Tag länger geblieben.

Vorabbemerkung: Die beschriebene Reise habe ich komplett selbst bezahlt. Da sie durch einen Reiseveranstalter organisiert wurde, kennzeichne ich diesen Beitrag als Werbung.

In Tbilissi

Mein erster Eindruck von Tbilissi – die Georgier stellen einen fantastischen Wein her, sie feiern gern, und Tbilissi ist eine wunderschöne Stadt!

Wobei wunderschön vielleicht nicht so ganz richtig ist. Einschränkend muss ich sagen, dass ich nur das Zentrum erkundet habe. Dort ist Tbilissi teils zerfallen, teils neu erbaut, teils sehr schön renoviert und erhalten. Bunt und eine unterschiedliche Ansicht an jeder Ecke. Kartlis Deda, die Mutter Georgien, auf den Hügeln, eine eigenwillige Brücke – die Friedensbrücke – über die Mtkwari, die merkwürdigen Flöten der Concert and Exhibition Hall im Rike Park, neben den uralten Kuppeln und teils farbenfrohen Fassaden der Schwefelbäder im Abanotubani-Viertel. An den Tagen vor meiner Ankunft gab es Proteste vor dem Parlament, auf dem Rustaveli Boulevard, gegen eine mögliche Einmischung Russlands in die inneren Angelegenheiten Georgiens. Stichwort „20% of my Country are occupied by Russia“, dies war oft in Kreide geschrieben auf den Strassen zu lesen.

On Tour

Eigentlich dachte ich, ich bin recht fit. Eigentlich. Nun ja, mit der Einschätzung war ich nicht allein. Aber Temperaturen um die 30 – 35 °C, die Höhe von 1.500 – 2.200 m, plus die gefahrenen Höhenmeter, nicht zu vergessen die Reste der mitgebrachten Erkältung, also aus sportlicher Sicht war die Tour keine reine Freude. Allerdings haben die Tour-Organisation, die Landschaft und das Essen für alles entschädigt. Aber sowas von! Der einzige kleine Minuspunkt war das Mountainbike, mit dem ich einfach nicht klar gekommen bin. Leider ein wesentlicher Minuspunkt bei einer Mountainbiketour.

Die Streckenführung ging zumeist über asphaltierte Straßen, mit wenig bis mäßigem Verkehr, wobei der gelegentliche Lastwagen schon für derbe Erschütterungen sorgte. Der mittägliche Imbiß unterschied sich nicht wirklich vom abendlichen Dinner, aber das georgische Essen und Trinken verdient ein eigenes Kapitel.

Höhlenstadt Wardzia

Im 12. Jahrhundert in den Stein geschlagen, lebten zweitweise bis zu 50.000 Menschen in diesen Höhlen. Eine sehr beeindruckende Anlage.

Über den Goderdzi Pass

Das Highlight, und der Abschluss der Tour, war der Goderzi Pass. Sicher kann man hier mit dem Rad hochfahren, aber bei dieser Tour musste man nicht…sehr schön! Wir sind einen Teil zu Fuß hochgelaufen, einen Teil mit dem Bus gefahren (worden). Eine wunderschöne und sehr ursprüngliche Gegend, aber hier entsteht gerade ein nagelneues Ski Resort, mit Liften, 5-Sterne Hotels und allem Drum und Dran. In einigen Jahren wird es hier deutlich anders aussehen.

Im Laufe des Tages verschlechterte sich das Wetter, am nächsten Tag war an eine Abfahrt per Fahrrad leider nicht zu denken. Auf aufgeweichten und unbefestigten Wegen hat uns unserer Fahrer sicher im Bus nach Batumi gebracht, Respekt! Aber trotz des Wetters war die Landschaft sehr beeindruckend. Einsamkeit und kleine Städte wechseln sich ab. Irgendwo ein größeres Gebäude, eine Schule. Auf dem Weg nach Batumi machen wir Halt an einem Wasserfall, der eine Art Jahrmarkt um sich herum angezogen hat. Am Fluss nebenan eine jahrhunderte alte Steinbrücke. Mittagessen auf einem Weingut, mit einer ca. 12 jährigen Tamada, die sehr geübt (und etwas altklug?) die typischen Trinksprüche bringt.

Batumi

In Batumi hatte ich im Vergleich zu Tbilissi viel mehr das Gefühl, in einem fremden Land, einer anderen Kultur zu sein. Batumi ist eine faszinierende Mischung aus neuer, innovativer, ungewöhnlicher Architektur und alten, traditionsreichen Gebäuden.

Make no mistake: Dies ist nicht einfach eine kleine Hafenstadt am Schwarzen Meer: Hier ist das antike Kolchis – die Heimat der Medea, der Ursprung des goldenen Vlies.

Leider war der Tag verregnet und trüb, aber der Blick aufs Schwarze Meer war dennoch spannend. Es ist kein weisser Sandstrand, eher rustikaler Stein-Strand, aber im Sommer muss es sehr sehr schön sein.

Im Laufe des Tages musste ich mich dem Regen geschlagen geben. Schade drum, aber dann auch wieder ein guter Grund, Batumi und Georgien nochmals zu besuchen.

Mein persönliches Fazit: Ein spannendes und überaus faszinierendes Land. Unglaublich liebenswürdige und gastfreundliche Menschen! Sehr leckeres Essen! Ich komme wieder, vielleicht nicht unbedingt um Rad zu fahren 🙂

Riesiges Glück hatte ich mit meinen Mitreisenden, das ist so eine Art Superbonus, oder auch Glücksspiel. Es war ein sehr harmonisches und hilfsbereites Miteinander, mit interessanten Gesprächen und vielen Anregungen. Die Tourleitung, die Fahrer und die gesamte Organisation könnte man ja notfalls reklamieren, die Mitreisenden jedoch nicht. Wobei: Weder Tourleitung noch Fahrer noch Organisation haben an irgendeinem Punkt Anlass zur Reklamation gegeben. Würde ich nochmals fahren? Ja. Sofort!

მშვიდობით საქართველო!